Wie KI beim Elzacher Unternehmen Gießler eingesetzt wird


Badische Zeitung Fr, 19. Februar 2021
Von Nikolaus Bayer

In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut kommt bei der Werner Gießler GmbH eine lernfähige Sortiermaschine zum Einsatz, die die
Endkontrolle der Produkte optimieren soll.

Das Landeswirtschaftsministerium fördert derzeit die Einführung künstlicher Intelligenz (KI) in industrielle Produktionsprozesse. Mit dem „KI-Innovationswettbewerb“ genannten Programm unterstützt es anwendungsorientierte Forschung. Die Werner Gießler GmbH in Elzach ist eines von zwei Unternehmen im Landkreis, das daran beteiligt ist. In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut Freiburg wird dort ein Sortierautomat um KI-basierte Bauteilerkennung erweitert. Die Qualitätskontrolle wird damit kostensparend optimiert.

Die Werner Gießler GmbH, ein familiengeführtes, metallverarbeitendes Unternehmen, ist mit seinen Erzeugnissen weltweit präsent. Es entwickelt und  fertigt komplexe Präzisionsdrehteile, die im Maschinenbau viele Funktionen erfüllen. Stark ausgerichtet ist Gießler auf die Belieferung von Bosch-Automotive. Für dessen Einspritzaggregate, die marktübergreifend in LKW-Motoren eingebaut sind, werden Teile der Hochdruckpumpen sowie der Injektoren hergestellt. Dies geschieht jeweils in großen Stückzahlen, die vor ihrer Auslieferung auch einzeln geprüft werden müssen.
Die Endkontrolle übernimmt dabei eine digital-holographisch messende Sortiermaschine, die 2016 schon in einem ersten Pilotprojekt mit dem
Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik (IPM) entwickelt und installiert wurde. Mittels Abtastung durch Laserstrahlen prüft die Maschine jedes Teil auf die geforderte Oberflächenstruktur und Härte. Abweichungen von bis zu einem Tausendstel Millimeter Restrautiefe werden erkannt und ausgesondert. „Damit galten wir bei unseren Abnehmern schon bisher als Spitzenlieferant an Präzision“, sagt Firmenchef Thomas Gießler. Der „Schlupf“, also die wirklich fehlerhaften Teile, konnten nahezu vollständig identifiziert werden; nicht jedoch der Pseudoausschuss. Bei ihm handelt es sich um Gutteile, die als Schlechtteile gemessen werden – „etwa wegen Vibrationen oder härtungsbedingt variierenden Grautönen, die zu unterschiedlich starken Reflexionen der Laserstrahlen führen“, erläutert Markus Bayer, der Leiter Automatisierungstechnik bei Gießler. Für das Unternehmen war das bisher keine Kleinigkeit. Rund zehn Prozent der Teile mussten – hauptsächlich wegen Pseudoausschuss – nachsortiert werden; in der ersten Stufe in weiteren Läufen durch die Sortiermaschine; und der Rest in einer zweiten Stufe durch Mitarbeiter, die mit hochgenauer Messoptik noch gute Teile gefunden haben. „Bei rund zehn Millionen Bauteilen waren das bisher 100 000 Teile in der Nachprüfung“, sagt der Firmenchef. „Das kostet sehr viel Zeit und Geld“, die man sich mit Künstlicher Intelligenz jetzt ersparen will.
Mit dem Folgeprojekt „Holo-KI“, das im November angelaufen ist, wird eine Optimierung dieses Messverfahrens angestrebt. Bis zum Ende der
einjährigen Erprobungsphase soll der Pseudoausschuss damit von zehn auf unter ein Prozent reduziert werden. Markus Bayer ist zuversichtlich, dass es auch klappt. Zu diesem Zweck wurde von Gießler ein absolut vibrationsarmer Rundteller in die Maschine eingebaut und von Fraunhofer IPM eine Software mit 3 D-Laser und Datenauswertung installiert. Von jedem Pseudo-Teil wird im ersten Durchlauf dann ein dreidimensionales Bild – „ein Fingerabdruck“, nennt das Thomas Gießler – gemacht und als Graphik gespeichert. All diese Teile durchlaufen dann noch einmal die manuelle optische Prüfung; und nur die als gut beurteilten Teile kommen ein zweites Mal in die Sortieranlage, wo sie anhand des 3 D-Bildes und Datenabgleich künftig auch als Gutteil erkannt werden. „Die KI lernt sozusagen durch das Urteil der Mitarbeiter“, beschreibt das Markus Bayer. Was das System einmal als gut erkannt hat, werde es auch in der Folge tun.
Für das in der Massenfertigung tätige Unternehmen wäre es ein großer Vorteil, wenn im Idealfall tatsächlich die erwartete Reduktion des
Pseudoausschusses um 90 Prozent erreicht würde. „Der Einsatz von künstlicher Intelligenz, ergänzend zu unserem Prüfautomat, wird uns durch höhere Wirtschaftlichkeit jedes Jahr viel Geld sparen. Wir sind der globalen Konkurrenz wieder einen Schritt voraus“, ist Thomas Gießler überzeugt. Das Projekt wird vom Land mit 320 000 Euro gefördert; das Elzacher Unternehmen erhält für seinen Forschungsbeitrag einen Anteil bis zu 60 000 Euro. „Marktbegleiter“ werde man künftig gerne auch mit dieser Technologie ausstatten, versprach der Firmenchef. Dabei verwies Gießler auf die gute Marktlage mit gestiegenen Stückzahlen. Vor allem China mit seiner Nachfrage nach Nutzfahrzeugen sei für den Elzacher Zulieferer zuletzt wichtig gewesen.

Quelle: Badische Zeitung, 19. Februar 2021 von Nikolaus Bayer

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